27.09.2022

Interview mit Helga Altvater

Schiedsrichterin des Monats September

Unsere Schiedsrichterin des Monats August ist Helga Altvater.

Helga ist eine wahre Schiedsrichter-Pionierin. 1971 war sie die erste Schiedsrichterin in Frankfurt und eine der ersten in Hessen und Deutschland! Noch immer ist die stärkere Einbindung von Frauen im Fußball und Schiedsrichtersport ein Herzensthema für sie.

 

Im Buch „50 Jahre Frauenfußball in Hessen“ gehst du auch auf die Schiedsrichterei ein. Du bist die erste Schiedsrichterin aus Frankfurt und eine der ersten in Hessen und Deutschland. Was hat dich damals dazu motiviert diesen „Job“ zu machen?

Schon Anfang der 70er Jahre bin ich gerne mit meinem Vater ins Waldstadion gegangen und habe mich für den (Männer-)Fußball begeistert. Parallel habe ich meine Ausbildung begonnen. Doch die Jungs in meiner Ausbildungsabteilung wollten sich montags nicht mit mir über Fußball unterhalten. Dann fiel mir eine kleine Anzeige in einer Zeitung ins Auge: „Schiedsrichter gesucht. Bitte zum nächsten Lehrgang anmelden“. Gesagt, getan! Nach bestandenem Lehrgang wollte ich dann eigentlich nicht nur pfeifen, sondern den Jungs in der Ausbildungsabteilung auch zeigen, dass ich Ahnung von Fußball habe. Doch ich ließ mich überreden und unternahm schließlich bei der E-Jugend mit Unterstützung eines erfahrenen Schiedsrichter-Paten meine ersten Schritte mit der Pfeife. Der Frauenfußball befand sich zu diesem Zeitpunkt erst in der Entwicklung und spielte noch keine Rolle.

Wenn du heute einem Fußballspiel zuschaust, guckst du dabei mehr den Spielern oder dem Schiedsrichter bzw. der Schiedsrichterin zu?

Zunächst einmal freue ich mich über die enorme Entwicklung des Frauenfußballs. Er ist schnell und technisch hervorragend und es ist eine große Freude, dabei zuzuschauen. Natürlich blicke ich beim Betrachten eines Spiels auch auf die schiedsrichterlichen Leistungen. Die Schiedsrichterinnen werden seit Jahren auf allen Ebenen eingesetzt und ihre Leistungen sind auf hohem Niveau.

 

Warum gibt es bis heute noch immer nur sehr wenige weibliche Schiedsrichter? Was sind deiner Meinung nach die Gründe?

Ich denke, das ist ein allgemein gesellschaftliches Problem. Viele wollen nicht mehr regelmäßig eingebunden sein. Dazu die Beschimpfungen und eventuell auch direkte Angriffe, die immer wieder öffentlich werden. Man sollte mehr öffentlich darstellen, wie positiv es ist, das Schiedsrichter-Hobby mit den Kameradinnen und Kameraden auszuüben. Auch die intensive Betreuung durch Patinnen sollte hervorgehoben werden.

 

Erst kürzlich wurdest du für 50+1 Jahre Mitgliedschaft in unserer Schiedsrichtervereinigung auf unserem nachgeholten Ehrungsabend geehrt. Was kannst du uns bezüglich der Gewinnung sowie der Aus- und Fortbildung von Schiedsrichterinnen mit auf den Weg geben?

Man sollte verstärkt Erfolgsgeschichten von Schiedsrichterinnen in den sozialen Medien veröffentlichen und zudem Einladungen zu Sitzungen sowie speziell zu weiblichen Lehrgängen aussprechen. Auch gilt es, internationale Schiedsrichterinnen aus anderen Ländern einzuladen, zum Beispiel wenn sie gerade in der Nähe ein Spiel leiten. Man könnte auch einmal erfolgreiche Spielerinnen dazu befragen, wie es von ihrer Warte betrachtet aussieht. Oder Spielerinnen, die an ihrem Karriereende stehen, für die Schiedsrichterausbildung begeistern. Last but not least sollte man auch in die Frauenvereine gehen und für die Schiedsrichterei werben.

Auf einem sehr guten Weg ist meiner Meinung nach der HFV damit, Claudia Vanheiden im Verbandsschiedsrichterausschuss in die Position der Beisitzerin für den Schiedsrichterinnenbereich zu berufen. Eine intensive Zusammenarbeit und persönliche Treffen mit allen Beteiligten scheinen mir sehr wichtig für den Erfolg.

 

Wie hat sich der Frauenfußball in den vergangenen 50 Jahren entwickelt und auf was müssen sich Frauen in Zukunft noch einstellen?

Der Frauenfußball hat natürlich unglaubliche Fortschritte gemacht. Vor über 50 Jahren mussten alle bei Null anfangen. Verfolgt man allerdings die Erfolge im Einzelnen, dann haben sie zum Teil Jahre oder Jahrzehnte gedauert. Erst nach über 20 Jahren wurde ich in den Vorstand des HFV gewählt, um den Frauenfußball zu vertreten. Über 50 Jahre hat es gedauert, bis Hessen mit Prof. Dr. Silke Sinning eine DFB-Vizepräsidentin hat. Es sollte zukünftig doch schneller gehen, dass sich die Frauen in wichtigen Positionen etablieren. Natürlich müssen Frauen auch den Mut haben sich dafür zu entscheiden und es intensiv für sich einfordern.

 

Was hältst du von gemischten Mannschaften, also Frauen und Männern in einem Team?

Über die Jugend hinaus würde ich es nicht befürworten.

Wenn du noch eine spannende Erfahrung zum Abschluss hast oder dir etwas auf der Seele brennt, dann her damit…

Für mich war die Entscheidung Schiedsrichterin zu werden und ins Ehrenamt zu gehen wichtig für mein ganzes Leben und ich habe viel gelernt: schnelle Entscheidungen treffen, sich fortbilden, Kameradschaft pflegen, sich in Gremien durchsetzen und vieles mehr. Ich blicke auf so viele Erlebnisse in meiner aktiven Zeit zurück und habe unglaublich viele interessante Menschen getroffen, wie ich es im „normalen“ Leben nicht hätte verwirklichen können.

 

 

Das Buch „50 Jahre Frauenfußball in Hessen“ kann unter diesem Link beim HFV bestellt werden: https://www.hfv-online.de/

 

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